Die steigende Nachfrage nach Studiengängen mit einem starken Nachhaltigkeitsbezug führt dazu, dass immer mehr deutsche Hochschulen Bachelor- und Masterprogramme entwickeln, die Umwelt, Ökologie und Ethik in den Fokus rücken. Doch stellt sich die Frage, ob diese Programme wirklich das halten, was ihre Titel versprechen, oder ob sie in Wirklichkeit nur dazu dienen, mehr Studierende anzulocken.
Der Boom der grünen Studiengänge
Die Zahlen sprechen für sich. Laut einer Analyse von Studieren.de für die Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung (FAS) hatten in den letzten vier Jahren 15 Prozent aller neu eingeführten Studienprogramme einen klaren Nachhaltigkeitsbezug. Aktuell listet die Plattform bereits fast 350 Master- und Bachelorstudiengänge auf, die das Thema ausdrücklich in den Mittelpunkt stellen – ein Anstieg um 60 Prozent im Vergleich zu 2019.
Beispiele hierfür sind Studiengänge wie der Bachelor in Nachhaltiges Management an der TU Berlin oder der Master Ressourcenmanagement im Klimawandel an der Hochschule Aalen. Die Universität Marburg ermöglicht es Studierenden, mit einem Bachelor in Physik grüner Technologien gleichzeitig gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen.
Hohe Erwartungen, häufige Enttäuschungen
Experten, die sich auf die Studienberatung junger Menschen spezialisiert haben, berichten, dass viele Studierende ein Studium mit Nachhaltigkeitsschwerpunkt wählen. Dahinter verbirgt sich der hochmotivierte Antrieb, die Welt zu verändern. Doch trotz dieser anfänglichen Begeisterung stoßen sie oft auf Enttäuschungen im Studienverlauf.
Ein Grund dafür könnte sein, dass einige Studiengänge den Begriff “Nachhaltigkeit” in ihrer Beschreibung verwenden, um Studenten anzuziehen. Tatsächlich konzentrieren sie sich dann aber doch auf traditionellere Themen. Budgetbeschränkungen und ein Mangel an Fachkräften könnten ebenfalls dazu führen, dass Universitäten nicht in der Lage sind, spezialisierte Kurse in diesem Bereich anzubieten.
Hinzu kommt, dass manche Bildungseinrichtungen Partnerschaften mit Unternehmen oder Branchen pflegen, die nicht unbedingt nachhaltige Praktiken fördern. Auch das kann sich auf den Lehrplan auswirken. Traditionelle Curricula, die seit Jahrzehnten bestehen, können ebenfalls eine Hürde für die Integration aktueller Themen wie Nachhaltigkeit darstellen.
Neue Zielgruppen
Die Zielgruppe für die neuen grünen Studiengänge unterscheidet sich teilweise von den traditionellen Fächern wie BWL oder den Ingenieurwissenschaften. Ein höherer Frauenanteil und ein gesteigertes Interesse an gesellschaftlichen Themen sind erkennbar. Dies wird von Experten als eine positive Entwicklung angesehen, insbesondere an technischen Universitäten.
Zusätzlich zu dem höheren Frauenanteil zeigt sich auch ein gesteigertes Interesse der Studierenden an gesellschaftlichen Themen. Dies spiegelt den wachsenden Wunsch vieler junger Menschen wider, einen positiven Beitrag zur Gesellschaft zu leisten und sich mit den drängenden Herausforderungen unserer Zeit, wie dem Klimawandel, auseinanderzusetzen.
Insgesamt zeigt sich, dass grüne Studiengänge nicht nur neue Themen und Ansätze in die akademische Landschaft bringen, sondern auch dazu beitragen, die Diversität und das gesellschaftliche Bewusstsein an Universitäten zu erhöhen. Dies ist ein vielversprechender Schritt in Richtung einer integrativeren und nachhaltigeren Zukunft.
Qualitätssicherung durch den Akkreditierungsrat
Um sicherzustellen, dass die Bezeichnung eines Studiengangs tatsächlich zum Inhalt passt, überprüft der Akkreditierungsrat in Deutschland die Angebote der Hochschulen im Rahmen der Qualitätssicherung. Wenn der Titel und der Lehrplan zu stark voneinander abweichen, können Auflagen verhängt werden. Es gab bereits Fälle, bei denen ein Bachelorstudiengang den Begriff “Nachhaltigkeit” im Namen trug, aber dieses Thema im Curriculum kaum abgedeckt wurde.
Herausforderungen für Hochschulen
Allerdings ist der Akkreditierungsrat nicht in jede Akkreditierung involviert. Hochschulen mit Systemakkreditierung dürfen das Gütesiegel für ihre Studiengänge selbst vergeben, was zu einem Mangel an unabhängiger Kontrolle führt. Neben der inhaltlichen Ausrichtung ihrer Studienangebote geht es für Universitäten auch um finanzielle Aspekte: Je attraktiver der Studiengang, desto mehr Bewerber und desto höher die Einnahmen.
Arbeitgeberbewertung
Die Meinungen der potenziellen Arbeitgeber bezüglich der neuen grünen Studiengänge sind gemischt. Einige betonen die Bedeutung des klassischen Fachwissens in Bereichen wie Chemie, Physik, Elektrotechnik und Maschinenbau. Andere sehen in den Absolventen grüner Studiengänge mit ihrem Nachhaltigkeits-Mindset eine Bereicherung für die Wirtschaft.
Fazit
Die verstärkte Ausrichtung auf Nachhaltigkeitsthemen bringt frischen Wind in die Hochschullandschaft und spricht neue Zielgruppen an. Dennoch ist es entscheidend, einen ausgewogenen Mittelweg zwischen Idealismus und soliden Grundlagen zu finden, um Studierende bestmöglich auf die Anforderungen der Arbeitswelt vorzubereiten. Transparenz und Ehrlichkeit seitens der Universitäten sind unerlässlich, um überzogene Erwartungen zu vermeiden. Trotzdem haben die grünen Studiengänge großes Potenzial, die dringend benötigte Transformation der Wirtschaft voranzutreiben.