Nahrungsmittelunverträglichkeiten wie Lebensmittelallergien und -intoleranzen sind ein zunehmendes Problem in der Bevölkerung. Bis zu 30% der Deutschen leiden Schätzungen zufolge unter unerwünschten Reaktionen auf bestimmte Lebensmittel. Die Diagnostik gestaltet sich allerdings oft schwierig, da die Symptome unspezifisch sind und geeignete Biomarker fehlen. Klassische Testverfahren wie Haut- und Atemtests oder das Führen von Ernährungstagebüchern haben häufig eine unzureichende Sensitivität und Spezifität. Hier könnten in Zukunft Methoden der Künstlichen Intelligenz (KI) Abhilfe schaffen.
KI in der Diagnostik: Neue Möglichkeiten
KI-Systeme sind in der Lage, große Mengen von Daten, oft auch aus verschiedenen Quellen, zu analysieren und daraus Muster zu erkennen, die dem Menschen verborgen bleiben. In ersten Studien konnte gezeigt werden, dass KI das Risiko für bestimmte Nahrungsmittelallergien vorhersagen sowie neue allergene Proteine identifizieren kann. So gelang es beispielsweise mithilfe eines KI-basierten Algorithmus, das Auftreten einer Erdnussallergie bei Kindern anhand klinischer Daten und Biomarker-Analysen vorherzusagen. Die Genauigkeit lag zwischen 64% und 83%. Ein anderes KI-System war in der Lage, bekannte allergene von nicht-allergenen Proteinen mit 97% Genauigkeit zu unterscheiden.
Auch die Reaktion von Patienten auf Provokationstests, die zur Diagnosesicherung durchgeführt werden, lässt sich mithilfe von KI zum Teil sehr präzise vorhersagen. Kombiniert man demografische Daten, Laborwerte und Testergebnisse in einem KI-Modell, sind Genauigkeiten von über 80% erreichbar. Damit könnten überflüssige Provokationstests, die für Patienten belastend sein können, in Zukunft vermieden werden.
KI in der Behandlung: Vom Chatbot bis zum Smart-Armband
Neben der Vorhersage kommt KI auch bereits bei der Behandlung von Nahrungsmittelunverträglichkeiten zum Einsatz. Intelligente Chatbots sind in der Lage, individuelle diätetische Empfehlungen für Betroffene zu erstellen. Apps analysieren mithilfe von KI Fotos der Nahrungsaufnahme und des Stuhlgangs, um Unverträglichkeiten aufzudecken. Und smarte Armbänder können anhand von Vitalparametern Rückschlüsse auf Reaktionen nach Nahrungsmittelaufnahme ermöglichen.
Herausforderungen und Zukunftsaussichten der KI-Technologie
Die bisherigen Studienergebnisse sind vielversprechend. Mit wachsenden Datenmengen und besseren Algorithmen werden die KI-Systeme künftig noch genauer werden. Dennoch sind noch einige Herausforderungen zu meistern. Die KI-Modelle müssen kontinuierlich an neue wissenschaftliche Erkenntnisse angepasst werden. Auch Datenschutz und -sicherheit müssen bei der Nutzung sensibler Patientendaten höchste Priorität haben. Und für eine breite Akzeptanz muss die Nachvollziehbarkeit der KI-Entscheidungen für Ärzte und Patienten gewährleistet sein.
Fazit: Revolution in der Diagnostik
Trotzdem hat KI das Potenzial, die Diagnostik von Nahrungsmittelunverträglichkeiten zu revolutionieren. Schon bald könnten KI-gestützte Testverfahren und Apps die herkömmlichen Diagnosemethoden ergänzen oder sogar ablösen. Damit würde vielen Patienten mit unspezifischen Beschwerden geholfen, die bisher keine klare Diagnose erhalten. KI ermöglicht einen personalisierten und evidenzbasierten Ansatz für ein großes Problem in unserer Gesellschaft.
Literatur:
Dreekmann, J., Kordowski, A., Schmelter, F. et al. Auf künstlicher Intelligenz basierende Ansätze zur Diagnostik von Nahrungsmittelunverträglichkeiten. Gastroenterologie (2024). https://doi.org/10.1007/s11377-023-00750-y