E-Scooter im Straßenverkehr: Erste Studie zu Unfallursachen und Verletzungsmustern in Deutschland

Seit der Zulassung von E-Scootern im Juni 2019 sind die kleinen Elektro-Roller vor allem in Großstädten sehr beliebt geworden. Ihre Handhabung ist einfach, die Fahrzeuge stehen über Sharing-Anbieter an vielen Orten im Stadtgebiet zur Verfügung. E-Scooter können Geschwindigkeiten bis 20 km/h erreichen und sind ab 14 Jahren ohne Führerschein erlaubt. Aufgrund dieser niedrigen Zugangshürden besteht die Befürchtung einer Zunahme von Unfällen mit den neuen Verkehrsmitteln.

In den USA, wo E-Scooter schon länger zugelassen sind, hatte es rasch einen starken Anstieg von Verletzungen gegeben. Auch in Deutschland häuften sich in den Wochen nach der Zulassung Berichte über E-Scooter-Unfälle. Es bestand daher dringender Bedarf an wissenschaftlichen Daten zu den Risiken und zur Vermeidung von Unfällen mit den Elektro-Rollern.

Studienziel und Methodik

Wissenschaftler der Charité Berlin untersuchten im Juli 2019 erstmals systematisch die Verletzungsmuster und Unfallursachen von E-Scooter-Nutzern in Deutschland. Es handelt sich um die erste Studie in Europa, die aufzeigen soll, mit welchen Verletzungen und Unfallfolgen im Zusammenhang mit E-Scootern zukünftig zu rechnen ist.

In den zentralen Notaufnahmen der Charité am Campus Mitte und Campus Virchow-Klinikum in Berlin-Mitte wurden innerhalb eines Monats alle Patienten nach E-Scooter-Unfällen prospektiv erfasst. Neben der medizinischen Versorgung wurde eine Datenerhebung mittels Fragebogen durchgeführt. Dieser enthielt Fragen zu:

  • Demografischen Angaben
  • Führerscheinbesitz
  • Erfahrung mit E-Scootern und im Straßenverkehr
  • Hergang des Unfalls
  • Verhalten beim Fahren des E-Scooters

 

Zusätzlich erfolgte die medizinische Dokumentation mit Diagnoseschlüsseln. Die Studie wurde von der Ethikkommission der Charité genehmigt.

Studienergebnisse

Insgesamt wurden 24 Patienten (Durchschnittsalter 30 Jahre, 54% männlich) in die Studie eingeschlossen.

  • 58 % waren Touristen, nur 42 % Einwohner von Berlin.
  • 17 % waren zum Unfallzeitpunkt alkoholisiert.
  • Nur 32 % hatten bereits Erfahrung mit E-Scooter-Fahren.

 

Unfallursachen

  • 75 % der Unfälle waren Alleinunfälle durch Stürze vom E-Scooter ohne Fremdverschulden.
  • 25 % verletzten sich beim Aufsteigen am Fahrzeug.
  • Weitere Unfallursachen waren mangelnde Fahrpraxis, Unachtsamkeit und Regelverstöße wie:
    • Fahren unter Alkoholeinfluss
    • Mitfahren zu zweit auf einem Scooter
    • Fahren auf Gehwegen und Bürgersteigen

 

Verletzungsmuster

  • Kopfverletzungen (54 %):
    • Gehirnerschütterungen
    • Prellungen
    • Schürfwunden
  • Weichteilverletzungen der Extremitäten (58 %):
    • Risswunden und Abschürfungen, die genäht werden mussten
  • Frakturen der oberen Extremitäten (21 %), z.B.:
    • Hand- und Unterarmbrüche
    • Schlüsselbeinbrüche
    • Alle Frakturen erforderten eine operative Versorgung
  • Keine lebensbedrohlichen Verletzungen
  • Maximale Krankenhausaufenthaltsdauer: 3 Tage

 

Auffällig war eine Häufung von Verletzungen am oberen Sprunggelenk, die beim Aufsteigen durch den Kontakt mit der Kante der Standfläche entstanden. Das zeigt, dass nicht nur das Fahren riskant ist, sondern bereits das Betreten der relativ schmalen Platte dieses Fahrzeugtyps.

Interpretation und Ausblick

E-Scooter bergen ein beträchtliches Verletzungsrisiko, das aufgrund der einfachen Nutzung häufig unterschätzt wird. Durch Unachtsamkeit, Regelverstöße und mangelnde Fahrpraxis kommt es zu den typischen Verletzungen beim Fahren und Aufsteigen. Das Verletzungsmuster ist mit dem von Fahrradunfällen vergleichbar und in seiner Häufigkeit und Schwere keinesfalls harmlos.

Um E-Scooter sicherer zu machen, empfehlen die Autoren:

  • Blinkanlage am Fahrzeug
  • Helmpflicht
  • Verbesserung der Standfestigkeit
  • Förderung der Risikowahrnehmung bei den Nutzern

 

Eine Einschränkung der Studie ist die geringe Fallzahl von 24 Patienten. Außerdem stammen die Daten nur aus zwei Kliniken, sodass die Ergebnisse nicht direkt repräsentativ sind.

Weitere Studien mit höheren Fallzahlen und Kontrollgruppen sind notwendig, um detailliertere wissenschaftliche Erkenntnisse über E-Scooter-Unfälle zu erhalten. Eine Arbeitsgruppe der Charité führt derzeit eine prospektive Fall-Kontroll-Studie durch, um genauere Daten zu folgenden Aspekten zu erhalten:

  • Präzise Angaben zur Unfallhäufigkeit
  • Vergleich der Unfallzahlen vor und nach Zulassung der E-Scooter
  • Langzeitfolgen und Schweregrade der Verletzungen
  • Detaillierte Analyse der Unfallursachen
  • Identifikation von Risikogruppen
  • Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen

 

Diese Informationen sind wichtig, um gezielte Empfehlungen für wirksame Präventionsstrategien ableiten zu können. Nur so lässt sich die Sicherheit für E-Scooter-Fahrer, aber auch für andere Verkehrsteilnehmer nachhaltig erhöhen. Die Studienergebnisse werden zudem wichtige Entscheidungsgrundlagen für Gesetzgeber und Sharing-Anbieter liefern.

Fazit

Die erste Untersuchung der Charité zeigt, dass E-Scooter bisher ein unbekanntes Risiko im Straßenverkehr darstellen. Die Verletzungsmuster sind mit denen von Fahrradunfällen vergleichbar. Durch weitere Forschung sollen nun detaillierte Erkenntnisse gewonnen werden, um durch gezielte Maßnahmen die Sicherheit für E-Scooter-Fahrer und andere Verkehrsteilnehmer zu erhöhen.

Literatur:

Uluk, D./ Lindner, T./ Palmowski, Y. et al. (2020): E-Scooter: erste Erkenntnisse über Unfallursachen und Verletzungsmuster. Notfall Rettungsmed 23, 293–298. https://doi.org/10.1007/s10049-019-00678-3

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